Dauer des Mutterschaftsurlaubs

Mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen unsere Position zu verschiedenen Aspekten der Änderungsvorschläge bezüglich der Richtlinie 92/85/CEE des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Schwangeren, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitsnehmerinnen am Arbeitsplatz darlegen.

Dauer des Mutterschaftsurlaubs (Kommentar in Bezug auf Artikel 8)

Die Änderung des Artikels 8 soll Frauen, die ihre Arbeit nach der Entbindung wieder aufnehmen möchten, einen längeren Mutterschaftsurlaub ermöglichen. Die Versorgung des Kindes und die Fortführung des Stillens würden dadurch erheblich erleichtert. Wir begrüßen grundsätzlich eine Ausdehnung des Mutterschaftsurlaubs nach der Entbindung, denn eine Studie hat gezeigt, dass bei einer postnatalen Pause von weniger als 6 Wochen (resp. 12 Wochen) die Wahrscheinlichkeit, auf das Stillen ganz zu verzichten, sich vervierfacht (resp. verdoppelt). (Juggling work and breastfeeding: effects of maternity leave and occupational characteristics. Guendelman S, Kosa JL, Pearl M, Graham S, Goodmann J, Kharrazi M. Pediatrics 2009 Jan; 123 (1):e38-46.)

Wir wenden uns an die legislativen Organe und rufen sie auf, eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs in Betracht zu ziehen, auf ein Maß, wie es in den skandinavischen Ländern üblich ist. Diese Länder zeigen europaweit die höchste Rate weiblicher Erwerbstätigkeit, die höchsten Geburtenraten sowie die höchste Stillrate und haben dabei außerdem den längsten Mutterschaftsurlaub in Europa.

Um die Ziele der Weltgesundheitsorganisation, wie sie in der „Globalen Strategie für die Säuglings- und Kleinkindernährung“ von 2002 formuliert sind, zu erreichen, ist eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs notwendig: In der Resolution WHO EUR/RC51/4 wird verstärkt für die Empfehlung einer ausschließlichen Stilldauer von sechs Monaten argumentiert, und die Mitgliedsstaaten der WHO werden eindringlich gebeten, „als eine weltweite Public Health-Empfehlung ihre Aktivitäten zu verstärken und neue Konzepte für den Schutz, die Förderung und Unterstützung einer ausschließlichen Stilldauer von sechs Monaten und dem weiterführenden Stillen bis zu zwei Jahren begleitet von adäquater Beikost zu entwickeln“.

Wir möchten die Bedeutung eines Mutterschaftsurlaubs, der lang genug vor der Geburt einsetzt, betonen. Frühgeburtsrisiken werden dadurch gemindert und die Gesundheit des Kindes wird dadurch unterstützt. Eine beliebige Flexibilisierung des Mutterschaftsurlaubs könnte zu einem Schrumpfen des vorgeburtlichen Urlaubs führen, mit weitreichenden negativen Folgen. Die Arbeitsbedingungen der schwangeren Arbeitnehmerinnen haben sich im Bezug auf Stress am Arbeitsplatz kaum gebessert, deswegen sind folgende Befürchtungen begründet:

- Zunahme der Frühgeburtenrate,
- Zunahme der Prä-Eklampsiefälle (Schwangerschaftsvergiftung),
- Abnahme des Geburtsgewichts des Kindes,
- ernstzunehmende Auswirkungen im psychologischen Bereich auf die Mutter und für die Mutter-Kind-Bindung,
- Zunahme der Kaisrschnittsrate (Maternity leave in the ninth month of pregnancy and birth outcomes among working women. Guendelman S, Pearl M, Graham S, Hubbrd A, Hosang N, Kharrazi M. Women Health Issues.2009 Jan-Feb;19(1):30-7.),
- Langzeitwirkungen des vorgeburtlichen Stressniveaus auf den kindlichen Stoffwechsel mit erhöhten Kortisolwerten (Stresshormon) bei Zehnjährigen. (Prenatal anxiety predicts individual differences in cortisol in pre-adolescent children. O’Connor T G et al Biological Psychiatry 2005 58(3) 211-17)

Im Folgenden möchten wir die psychologischen Auswirkungen detaillierter entwickeln. Wird der Frau nur ein vorgeburtlicher Schwangerschaftsurlaub zwischen 0 und  6 Wochen zugestanden, wird ihr die Möglichkeit genommen Gewähr zu übernehmen für das Wachstum und die gesunde Entwicklung des Ungeborenen. Sie wäre einer Arbeitswelt länger unterworfen, die sich zum größten Teil an männlich dominierten Haltungen und Werten orientiert. Eine solche Reduzierung des Schwangerschaftsschutzes zeigt einen großen Mangel an Respekt vor den Ressourcen der Frau. Getrieben von den täglichen Anforderungen und dem Druck der Arbeitswelt hat die Schwangere dann nur sehr wenig Zeit, eine Sensibilität für die Veränderungen in ihrem Körper zu entwickeln, sich der Pflege ihrer Gesundheit anzunehmen, sich physisch und psychisch auf die Geburt vorzubereiten. So eine Vorbereitung braucht Zeit und Muße und ist höchst wichtig für das seelische Gleichgewicht der jungen Mutter und für eine gelungene Entwicklung eines guten Mutter-Kind-Verhältnisses.

Die wissenschaftliche Forschung zeigt zunehmend, dass die Entwicklung der Gesundheit des Kindes (d.h. der zukünftigen Generationen) eine starke Korrelation mit den pränatalen Ereignissen und denen während des ersten Lebensjahres aufweist. Es ist also offenbar im Hinblick auf eine langfristige Sicherung der öffentlichen Gesundheit notwendig, solche Aspekte in die Überlegungen einfließen zu lassen.

Angesichts solcher Argumente sind wir der Meinung, dass der Gesetzgeber die Mutterschaft und das Leben des Kindes durch einen ausreichend langen vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaub schützen muss.

Im Übrigen sind wir höchst erstaunt über den Vorschlag der Flexibilisierung des Mutterschutzes, der die Planbarkeit eines Mutterschaftsurlaubs auch schwierig für den Arbeitgeber macht.

Stillpausen

Wir stellen fest, dass die Mitteilung und das Memo der Kommission an das Europäische Parlament, an den Rat, an das Wirtschafts- und Sozialkomitee sowie das Regionalkomitee auf stillende Mütter Bezug nimmt, ohne dabei Maßnahmen vorzusehen, die das Stillen unterstützen und fördern. Dies steht im Widerspruch mit der Konvention zum Schutz der Mutterschaft (C 183) der Weltarbeitsorganisation (ILO), die im Jahr 2000 unterzeichnet wurde und in deren Artikel 10 steht, dass:

1. die Frau ein Recht hat auf eine oder mehrere Arbeitspausen pro Tag oder auf eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit, um ihr Kind zu stillen;
2. die Zahl der Stillpausen und ihre Dauer sowie die Bedingungen für die Reduzierung der täglichen Arbeitszeit durch die jeweilige nationale Gesetzgebung festgelegt werden müssen, wobei solche Pausen oder Arbeitszeitverkürzungen als bezahlte Arbeitszeit zählen sollen.

Die Empfehlung 191 der ILO aus dem Jahr 2000 bekräftigt dieses Recht. Die Mutterschutz-Konvention der ILO (C 183, 2000) ist bislang ratifiziert worden von: Österreich, Bulgarien, Zypern, Ungarn, Italien, Luxemburg, Rumänien und der Slowakei. Andere europäische Länder wie Frankreich und Deutschland haben auch Stillpausen in ihrer nationalen Gesetzgebung.

Daher empfehlen wir Arbeitspausen zum Stillen in die Vorlage zur Direktive aufzunehmen.